Perioperative Antibiotikaprophylaxe in der colorektalen Chirurgie
Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich Mittelkötter
1. EINLEITUNG Perioperative Infektionsprophylaxe in der Kolonchirurgie
Ursprünglich hohe Infektionsraten von bis zu 50% ohne antibiotische Prophylaxe haben in der
elektiven Kolonchirurgie zur Etablierung einer perioperativen systemischen Antibiotikaprophylaxe
geführt. Durch die Einführung verschiedener Antibiotikakombinationen konnten mittlerweile
durchschnittliche Infektionsraten von lediglich 15% realisiert werden, so daß zur Sicherung des
qualitativen Klinikstandards und des individuellen Behandlungserfolges die perioperative Prophylaxe
aus der Chirurgie nicht mehr wegzudenken ist [1].
Bei Elektiveingriffen wird neben einer üblichen präoperativen Darmspülung diese perioperative
Prophylaxe durchgeführt, um Bakterien der physiologischen aeroben und anaeroben Dickdarmflora zu
reduzieren [1]. Obwohl eine Vereinheitlichung der Antibiotikaprophylaxe fehlt, haben sich Penicilline
und Cephalosporine durchgesetzt [1]. Die Kombination dieser im aeroben Bereich wirksamen
Substanzen mit Metronidazol wird empfohlen, da Metronidazol das anaerobe Keimspektrum abdeckt.
Alternativ wird bei Penicillinen eine Kombinationen mit einem Betalaktamaseinhibitor empfohlen [2].
Postoperative Infektkomplikationen in der Kolonchirurgie
Erkrankungen des Dickdarmes stellen einen maßgeblichen Anteil der operativen Eingriffe in der
Viszeralchirurgie dar und sind insbesondere unter dem Aspekt des deutlich angestiegenen Lebensalters
der Patienten mit einem höheren peri- und postoperativen Komplikationsrisiko verbunden. Cruse schuf
1973 mit seiner Wundklassifizierung eine Grundlage für die perioperative Antibiotikaprophylaxe zur
Verhütung von Wundinfektionen [3]. In der Literatur sind allein zwischen 10 und 50 % lokale
Störungen der Wundheilung des Laparotomiezuganges beschrieben. Lippert und Gastinger zeigen
hierzu 16,9% bei Notfall- und 20,7% bei elektiven Eingriffen auf [4]. Taylor et al. [5] gaben 1994
Wundheilungsstörungen von 11 bis 18% an und Löhde et al. [6] fanden 14% in ihren Studien.
Demgegenüber steht eine Wundinfektionsrate in der Allgemeinchirurgie von ca. 9% und 3% bei
aseptischen Eingriffen [7], die damit als Richtwerte für die chirurgische Qualität dienen. Demnach
kann die Effektivität einer bestimmten perioperativen Antibiotikaprophylaxe in der septischen
Kolonchirurgie anhand der in den verschiedenen chirurgischen Kliniken erreichten
Wundinfektionsraten näherungsweise wiedergefunden werden, wobei die Effektivität auch vom
chirurgischen Ausbildungsgrad beeinflußt wird [8].
Vor allem stellen systemische Sekundärinfektionen postoperativ bedeutende Risikofaktoren dar. Die
Betrachtung dieser Infektionskomplikationen ist nicht nur von medizinischem, sondern auch von
wirtschaftlichem Interesse, da diese hohen Infektionsraten weitere therapeutische Modalitäten bei
Kolonkarzinomen, z.B. den Zeitpunkt adjuvanter Chemotherapien verzögern, den stationären
Aufenthalt verlängern und zu erheblich höheren Kosten beitragen. Vor dem Bild der
Entgeltbudgetierungen und der DRG-Einführung kommt der Vermeidung von
Sekundärkomplikationen eine noch bedeutendere Rolle zu. Die Feststellung, daß in deutschen
Kliniken in der elektiven Kolonchirurgie bei der perioperativen Infektionsprophylaxe eine
Kombination von Penicillinen oder Cephalosporinen mit Metronidazol nicht etabliert ist, führte zu
einer Auswertung verschiedener perioperativer Prophylaxeschemata mit und ohne Metronidazol [9].
Eine Übersicht der in dieser Multi-Center-Studie gefundenen postoperativen Komplikationen zeigt die
Postoperativ aufgetretene lokale und systemische Infektionen nach elektiver Kolonresektion (%) [9]
epifaszial 4,08 9,98 6,02 13,54 11,94 9,09
Harnwegsinfektion 1,02 2,65 2,26 0,75 3,98 5,68
Substanzwahl
Auch in anderen Ländern sind unterschiedliche, teils unzureichende Antibiotikaprophylaxen berichtet
[10, 11, 12]. Diese oben gezeigten deutschen Multi-Center-Ergebnisse weisen auf die Wichtigkeit der
antibiotischen Berücksichtigung des anaeroben Keimspektrums mit Metronidazol zur Reduktion der
anaeroben Darmflora bei der perioperativen Prophylaxe hin, die allgemein anerkannt und empfohlen
Aufgrund der bekannten und jetzt erneut gefundenen hohen primären Resistenz von E. coli gegenüber
Breitspektrumpenicillinen von bis zu 33% [13] wurden in 3 Gruppen gängige Breitspektrumpenicilline
gegen Cephalosporine und einem Drittgenerationscephalosporin jeweils mit und ohne Metronidazol
verglichen. In früheren Studien sind bei Vergleichen von 1./2. Generations- gegen 3.
Generationscephalosporine und gegen Standardpenicilline unterschiedliche Ergebnisse bezüglich der
Wundinfektionen gefunden worden [14, 15, 16, 17], so daß der Vergleich dieser Gruppen nahe lag.
Neuere Literatur weist auf die Unterschiede zwischen den gängigen Breitspektrumpenicillinen und
Cephalosporinen hin [18]. Dies konnte 1996 in zwei anderen Studien zuvor bestätigt werden [19, 20].
Demgegenüber gibt es aber auch Carbapeneme, Chinolone oder spezielle Penicilline mit
Betalaktamaseinhibitor wie z. B. Piperacillin/Tazobactam, die mit einer nahezu vollständigen
Abdeckung des relevanten und möglichen Keimspektrums für eine perioperative
Antibiotikaprophylaxe bei z.B. Hochrisikopatienten in ausgewählten Situationen geeignet scheinen.
Auch unter dem kommenden Aspekt der DRG-Einführung ist durch eine Omnispektrum-Abdeckung
eine weitere Reduzierung postoperativer Infektionskomplikationen denkbar und wünschenswert, um
eine Verkürzung der Hospitalisierungsdauer zu erreichen.
Die Substanzauswahl eines Antibiotikums zur perioperativen Prophylaxe in der Kolonchirurgie muß
zusammengefaßt das zu erwartende aerobe und anaerobe residente Keimspektrum der Dickdarmflora,
die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik, den wirksamen Zeitkorridor und das individuelle
Infektionsrisiko des Patienten berücksichtigen [21]. Für den einzelnen Patienten gilt dabei, daß das
Risiko einer Resistenzentwicklung zu vernachlässigen ist. Für die Resistenzsituation in der
Klinikumgebung muß allerdings gelten, daß durch Erfassung der Klinik-eigenen Resistenzsituation die
perioperative Prophylaxe qualitativ kontrolliert wird.
2. Diskussion
Kolon und Rektum stellen mikrobiologisch besondere Organe im Bauchraum dar, da diese
Hohlorgane intraluminal eine hohe Keimlast besitzen, die Integrität dieser Hohlorgane bei
Resektionen erkrankter Darmabschnitte verletzt und somit ein Austritt von Bakterien in den
Abdominalraum ermöglicht wird. Diese sogenannte Standortflora des Dickdarmes ist aerob und
anaerob und für postoperative Infektionen ein massives bakteriologisches Reservoir, aus dem neben
Toxinen auch Bakterien per Translokation systemisch freigesetzt werden.
Um eine relevante Senkung der postoperativen Infektionsrate erzielen zu können, wird in Zukunft
deutlich mehr Schwergewicht auf präventive Maßnahmen gelegt werden, so daß in diesem Zuge auch
ein Umdenken über die perioperative Antibiose stattfinden wird und der wesentliche klinische Ansatz
und Zielpunkt die Senkung der Infektionshäufigkeit und infektbedingten Letalität zur Verbesserung
der Versorgungsqualität und Kostenersparnis wird.
Klinische Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen Immundysfunktion und Letalität hin.
Die Identifizierung von Risikokollektiven ist hierbei ein wichtiger Schritt zur Prävention oder
frühzeitigen Therapie von schweren systemischen Infektionen. Der Früherkennung von Infektionen in
der asymptomatischen postoperativen Phase kommt hierbei eine wesentliche Bedeutung zu.
Im Zuge der Kosten-Neuregelung (DRG) wird auch das finanzielle Augenmerk auf derartige
Screening- und Therapie-Modelle fallen, um in der Klinik eine effizientere Patientenversorgung mit
Verkürzung der Aufenthaltsdauer zu gewährleisten, was letztlich dem Patienten zugute kommen wird.
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The properties and applications of chlorhexidine inendodonticsZ. Mohammadi1,2 & P. V. Abbott31Department of Endodontics, School of Dentistry, Hamedan University of Medical Sciences, Hamedan, Iran; 2Iranian Centre forEndodontic Research (ICER); and 3School of Dentistry, University of Western Australia, Perth, WA, Australiaaction of CHX, its antibacterial and antifungal activity,its effect on
Publication of its own policy rate path boosts the effectiveness of central bank monetary policy “For not only do expectations about policy matter, but, at least under current conditions, very little else matters.” 1. IntroductionMajor changes have taken place in the way that central banks organise and present their monetary policy decisions in recent years. Most cen-tral banks now emphasi