Proverbis.at

1. Die Totenglocke
Zunächst hielt ich die Gestalt, die in fast acht Meter Höhe zwischen mächtigen Hopfenmasten an einem Drahtgeflecht baumelte, für eine Puppe. Für so eine Art Menschenattrappe, wie sie Bauern gelegent-lich zwischen Kulturpflanzen aufstellen, um naschhafte Vögel fern-zuhalten. Aber wozu sollte hier eine Vogelscheuche dienen, wenn die Früchte noch nicht einmal reif waren? Selbst wenn sie reif gewesen wären, was freilich erst in zwei, drei Wochen der Fall gewesen wäre, würden sie den geschnäbelten Dieben nicht schmecken. Denn Hop-fendolden sind so bitter, dass sich selbst das hungrigste Federvieh nach einer Kostprobe mit Grausen abwenden würde.
Mein Hund Bodo sah fragend zu mir auf und schien die gleichen Überlegungen zu wälzen: Was machte diese in einen sandgrauen Anzug gehüllte Kleiderpuppe da oben? Bodo hatte nämlich bemerkt, dass ich hinauf starrte, und spürte, dass mir die Existenz dieser glatz-köpfigen Gestalt nicht geheuer war. Plötzlich hatte ich nämlich den Eindruck, das Gesicht zwinkere mir zu. Ich sah noch einmal hin und merkte, dass dies nur ein trügerischer Schimmer- und Schatteneffekt gewesen war, den die Vormittagssonne im von einer Brise geschaukel-ten Blättergestrüpp auf die Augenpartie gespiegelt hatte, und ich sah, dass es sich keineswegs um eine Puppe handelte.
Es war ein Mensch. Diese Erkenntnis jagte mir einen Schrecken ein, mir wurde heiß und kalt, als ich noch einmal hinschaute. Optische Täuschungen sind manchmal Selbsttäuschungen und beruhen auf einem Wunschdenken. Eine Fata Morgana, die in der Wüste eine labende Wasserstelle vorgaukelt, hat der Wahrnehmende herbeigesehnt. Doch ich hatte hier an einem friedlichen Sonntagmor-gen während eines beschaulichen Spaziergangs mit meinem Golden Retriever alles andere als eine Leiche über mir erwartet. Irgendwie kam mir das Gesicht des Mannes mit den buschigen Augenbrauen bekannt vor. Dabei, muss man wissen, ist mein Visagengedächtnis wirklich nicht sehr ausgeprägt. Wobei der Begriff Visagengedächtnis viel zu eng gegriffen ist. Denn auch sonst zeigt mein Hirn Mangeler-scheinungen, wenn ich zum Beispiel aus der Erinnerung heraus einen Menschen beschreiben soll. Habe ich auf der Straße einen Bekannten getroffen und mit ihm ein paar belanglose Worte gewechselt, muss ich hinterher passen, wenn mich jemand fragt, wie die Person bekleidet war. Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 Seit einiger Zeit habe ich mir angewöhnt, bei Menschen, mit denen ich zu tun habe oder hatte, nach Ähnlichkeiten mit bekannten Leu-ten zu suchen. Eine Assoziation mit einer Berühmtheit, so hoffte ich, würde meinem schwachen Personengedächtnis auf die Sprünge hel-fen. Meinen Hausarzt, den ich, Gott sei ’s gedankt, nur ganz selten konsultieren muss, habe ich mit Didi Hallervorden verglichen. Das äußere Erscheinungsbild des Arztes ist zumindest im verschmitzten Gesichtsausdruck, mit dem grauen Haar und der knolligen Nase dem bekannten deutschen Humoristen und Schauspieler ähnlich. Wobei die höchst persönliche Assoziation mit Hallervorden durch die Lebensweisheit bestärkt wird, dass Lachen gesund hält.
Jedenfalls hat mich das Manko meines Erinnerungsvermögens oft schon zur unerfreulichen Einsicht bewogen, dass ich als Zeuge in einem Kriminalfall eine schlechte Figur abgeben würde. Und jetzt stand ich offensichtlich vor einem Selbstmörder. Aber um so hoch hinauf zu gelangen, musste der Lebensmüde doch eine Leiter verwen-det haben. Ich trat näher, um einen Blick in die hintere Hopfenreihe zu richten. Dabei verfing sich Bodos Leine an einem der kinderfinger-dicken Stahlseile, mit denen die Halterungspfähle gesichert waren. Mühsam entwirrte ich das Lederknäuel, jetzt hing die Gestalt fast direkt über uns, ich sah, dass sie braune Halbschuhe trug und vor-sichtshalber trat ich zur Seite. So weit ich sehen konnte, eine Leiter war nirgends zwischen den Hopfenreihen angelehnt oder umgefallen.
Aber wenn dieser Lebensmüde, dessen Gesicht mir bekannt schien, keine Steighilfe benutzt hatte, wie war er in diese schwindelnde Höhe gelangt? War er an einem der schräg stehenden Kastanienhozlpfosten hochgeklettert, von denen die Mastenallee seitlich gestützt wurde? Für so eine Turnübung schien mir der Mann da oben nicht wendig genug und körperlich kaum fähig. Ich schätzte ihn um einiges älter ein als mich, und ich war zu diesem Zeitpunkt bereits drei Jahre in Pension.
Keine Leiter, keine Klettermöglichkeit bis hinauf zu dem Drahtge- flecht – langsam dämmerte mir noch Unheimlicheres. Stand ich hier vor einem Mordopfer? Ich hatte in meiner Laufbahn als Reporter schon etliche Tatorte und Opferfundorte erlebt, aber so eine skurrile Szene-rie war mir noch nie untergekommen. Das Ganze schien mir umso bizarrer, als es sich inmitten einer scheinbar friedvollen und sanftmü-tigen Gegend zutrug.
Wie zur Bestätigung dieser Gegensätzlichkeiten trug nun der Wind das mehrstimmige Sonntagsgeläut der mächtigen Leutschacher Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 Pfarrkirche herüber. Es war neun Uhr fünfundvierzig, und der Pfarrer ließ das Läutwerk zur Sonntagsmesse nicht zur vollen Stunde ertönen, wenn der Gottesdienst begann, sondern eine Viertelstunde vorher, damit die Leute rechtzeitig an ihre Sonntagspflicht erinnert wurden. Eine der fünf Glocken, die nun die sonntäglich-ländliche Stille mit ihrem Klang idyllisch verbrämte, war die Hopfenglocke, im Volks-mund auch Totenglocke genannt. Früher wurde sie immer geläutet, wenn einer der Hopfenbauern gestorben war. Inzwischen darf sich auch jeder andere, der sich vom Irdischen verabschiedet, von dem sonoren Klang in eine andere Welt begleiten lassen.
Am Abend zuvor hatten die Glocken zum Pfarrfest auf dem Platz vor der Kirche eingeladen, und bis spät in die Nacht wurde fleißig musiziert, getanzt, gelacht und gezecht. Ich meide solche Massenauf-läufe und unterhalte mich lieber in kleinerem Freundeskreis bei einem Glas steirischen Wein. Dennoch nahmen wir teil an dem Spektakel, bis zur mitternächtlichen Stunde wehte nämlich der Wind die lärmende Fröhlichkeit der Besucher und die Klänge einer Tanzkapelle und der örtlichen Blasmusik bis zu unserer Hube herüber, obwohl diese durch einen Hügel vom Ortskern getrennt ist. Von der Kirche führt ein schmaler, von jungen Bäumen gesäumter Schotterweg, genannt Rosegger-Steig, Richtung Freibad, und Bodo erkundet dort gerne die Spuren seiner Artgenossen. Auch heute wählte ich, bevor ich die Hopfenplantage erreichte, diese Gassi-Route, und selbst hier waren die Reste nächtlicher Vergnügungen von Festbesuchern in Form von weggeworfenen gebrauchten Schutzgummis zu sehen. Beiderseits dieses Weges hatte man vor Jahren Bänke sowie Info-Tafeln über Friedensnobelpreisträger aufgestellt und den Steig als „Friedensweg“ deklariert. Kein Wunder, dass die Ortsjugend hier mit Vorliebe der freizügigen Friedensparole der Hippiegeneration huldigt: Make love not war. Gerüchteweise soll diesem Motto bei einer von der von der Pfarre organisierten Lustbarkeiten sogar einmal in einem Beichtstuhl der Kirche gefrönt worden sein. Mein Golden Retriever begann unruhig an der Leine zu zerren, und ich trat zurück auf die schmale Fahrbahn, die entlang des Hopfenfel-des zu einer verfallenen Mühle und nach ein paar Windungen zurück in den Ort führt. In dem Moment näherte sich eine Radfahrerin. Es war Irmi, eine ortsbekannte ältere Person, die mit ihrem roten Rad ein-mal da, einmal dort und dann wieder ganz anderswo anzutreffen war. Sie schien immer unterwegs zu sein, keiner wusste aber, wohin sie Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 tatsächlich radelte, außer, wenn sie die Richtung zu einem Waldhang bei Maltschach einschlug, wo ihr Freund in einem Wohnmobil hauste. So eine Zeugin brauchte ich in dieser Situation nun wirklich nicht. Weiß Gott, was sie beim Anblick des Toten für ein Theater begonnen und was für Mordthesen sie sich zusammengereimt und anschließend im Ort verbreitet hätte.
„Maj, is dejs a liabs Hundal“, rief sie aus, vom Fahrrad steigend. Bodo schnupperte mit dem Schwanz wedelnd an ihrer Hose und ihrem grellgelben Regenumhang, der jenen Signalwesten glich, die Autofah-rer mitführen müssen. Weit und breit war keine Regenfront in Sicht, aber Irmi war immer für alle Regenfälle gewappnet. Ich zog Bodo energisch zurück.
„Wia hoaßt er denn?“„Bodo, wie der Graf vom Schloss“, sagte ich.
„Aha, is er a odeliga Hundal?“„So was Ähnliches“, bestätigte ich in der Hoffnung, dass sie sich bald trollen würde. Andererseits war es mir nicht unangenehm, dass sie den Blick wie fasziniert nicht von Bodo und somit nicht nach oben wandte.
Sie fragte noch, ob sie ihn streicheln dürfe, ich nickte, und Bodo hob genießerisch den Kopf, für Streicheleinheiten war er immer zu haben, egal, von wem sie verabreicht wurden. „Maj, bist du schejn!“, schwärmte sie noch etliche Male. Was ist, fiel mir ein, wenn mich diese Person hinterher, sobald die Geschichte im Ort publik wurde, als Verdächtigen anschwärzte? Immerhin hatte sie mich am Fundort des Toten angetroffen und bemerkt, dass ich hier verweilt hatte.
Doch dann verabschiedete sie sich endlich, stieg umständlich auf ihr Fahrzeug und entfernte sich schwankend mit einem abermaligen Gruß: „Nou an schejnan Toug!“ Ich atmete durch, griff zum Handy und tippte die Nummer von Kom- missar Max Ricchius. Ihn kannte ich seit zwei Jahren, wir waren fast befreundet, jedenfalls hatten wir auch privat Kontakt. Er würde mir sagen können, was zu tun sei. Schon vor einem Jahr hatte ich ihn, damals nach einem mysteriösen Skelettfund, zu Rate gezogen. Viel-leicht würde er wie damals wieder persönlich herkommen, immerhin war er in der Bezirksstadt Leibnitz tätig und für Kapitalverbrechen, die im lokalen Rahmen blieben, zuständig. Überregionale Fälle fielen frei-lich in die Kompetenz der Mordkommission beim Landeskriminalamt Graz, und diese Herrschaften dort entschieden auch, was als überregi-onal einzustufen sei. Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 Die Kirchenglocken waren verstummt, meistens sind sie drei Minu- ten zu hören, doch diesmal schien mir das Geläut noch länger gedau-ert zu haben. Im Handy summte der Anrufton, schon fürchtete ich, in einer Mailbox zu landen, und ich kann solche Wortnachrichten ebenso wenig ausstehen wie SMS-Botschaften, die ich von vornhe-rein ignoriere und die sich in meinem Handy stets ungelesen wie auf einer Sprechmüllhalde anhäufen. Dann hob er endlich ab, der Herr Kommissar.
„Opodeldok, wo bist du, Max?“, sagte ich statt zu grüßen. Opo- deldok war unser Codewort für den Fall, dass es was Heikles oder Unangenehmes zu besprechen gab. Ich hatte Max Ricchius einmal empfohlen, sein schmerzendes Knie mit dem uralten Rheumamittel Opodeldok, auf das schon der brave Soldat Schwejk geschworen hatte, einzureiben. Max trieb tatsächlich irgendwo so eine Tinktur auf, die vermutlich schon Paracelsus gemixt hatte, behandelte damit sein ramponiertes Knie, wickelte es in Tücher und ging zu Bett. Der penet-rante Geruch des Beinverbandes war jedoch so eindringlich und uner-träglich, dass seine Frau das Weite suchte und Ricchius gleich darauf ein heißes Bad nahm, um, mit einer Bürste bewaffnet, das Wunder-mittel wegzuschrubben. Als er sich danach abtrocknete, so erzählte er mir, war der Schmerz wunderbarerweise verflogen. Seither beginnen wir beide anrüchige Angelegenheiten mit dem Grußwort „Opodel-dok“ einzuleiten.
„Wo stinkt es?“, fragte er zurück.
„Ich stehe unter einem Mordopfer.“Er lachte: „Hoffentlich nicht unter Mordverdacht.“„Ich hab den Toten nur gefunden.“ „Baumelt er am Baum?“„Etwas höher, an einer Hopfenstange.“„Opodeldok, ich rühr kein Bier mehr an, nur noch Wein.“Ich schilderte ihm, was zu sehen war, und fügte hinzu: „Das Gesicht „Einer deiner Winzerfreunde aus der Känguru-Gesellschaft, die mit leeren Beuteln große Sprünge machen und größenwahnsinnig aus-bauen oder expandieren. Der hat vermutlich Pleite gemacht und sich aufgeknüpft.“ „Ohne Leiter?“„Es gibt auch unter Bauern Affen.“„Nein, Max. Das schaut mir echt grob aus. Komm her.“ Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 Es stellte sich heraus, dass er mit Mimi, seiner Angetrauten, einen behaglichen Sonntag im Thermalbad Radkersburg verbringen wollte. „Wenn ich deinen Wunsch an Mimi weiterleite, haben wir noch einen Mord.“ „Ich lade euch beide hinterher zum Harkamp ein, das verspreche ich ihr.“ Das Lokal in Flamberg mit dem atemberaubenden Panoramablick auf den Sausal zählt zu unseren Lieblingsadressen.
Ricchius räusperte sich. „Also, gut. Du rufst jetzt die Polizeiinspektion Leutschach an. Die Kollegen sollen deinen Hopfen-Toten bewachen und nichts anrühren. Ich kümmere mich um eine Tatortgruppe und einen Gerichtsmediziner. In einer Stunde bin ich dort, Opodeldok.“ Ich rief meine Frau an und bereitete sie darauf vor, dass ich mich auf dem Heimweg etwas verspäten würde. Sie wollte den Grund dafür erfahren, vermutete, dass ich in der kleinen gemütlichen Brauerei Leutschach einkehren wollte, was ich ab und zu nach dem Sonntags-spaziergang tat, um ein Glas von dem frisch gebrauten Wein- oder Kürbisbier zu kosten, doch ich verneinte und sagte, daheim würde ich ihr alles berichten, und zu berichten gäbe es viel. Folgsam wählte ich dann die Nummer des Postens in Leutschach. Ich kannte dort drei Beamte namentlich, den Kommandant Reinhard Bierbauer, ferner Edi Tschernko, der in den Siebzigerjahren mehrfacher steirischer Meister und Staatsmeister im Skilanglauf war, und Herrn Wanko, mehr nicht. Wobei Tschernko, ein hochrangiger Personalvertreter der Polizei, meistens in Graz Dienst versah und nur selten in Leutschach anzutref-fen war. Der Polizist, der abhob, überraschte mich mit dem Ausruf: „Ah, Sie sind es!“ Das klang nicht sehr erfreut, in den paar Worten schwang sogar Ablehnung, vielleicht sogar Missbilligung mit. Er hatte mich offenbar nicht in angenehmer Erinnerung behalten, und als er mir seinen Namen sagte, es war Herr Wanko, wusste ich warum. Vor zwei Jahren hatte ich über einen tragischen Unfall in der Ortschaft Glanz berichtet. Ein beliebter Kutschenfahrer war bei einem Dorffest von sei-nem Pferdegespann niedergetrampelt und so schwer verwundet wor-den, dass er seither gelähmt und ein Pflegefall war. Weil eine damalige Zeugin der Frau des Opfers Monate später anvertraut hatte, sie habe gesehen, wer den Unfall verschuldet habe, nahm ich mich des Falles an. Ein offenbar angeheiterter Mann soll eine glühende Zigarette am Hinterteil eines der beiden Pferde ausgedämpft haben, worauf das sonst ruhige Tier panikartig losgaloppierte. In der Folge wurde der Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 vor dem Gespann stehende Kutscher von der Wagendeichsel am Kopf getroffen und vom Gespann niedergetrampelt. Seinerzeit hatten alle von der Polizei Leutschach befragten Dorffest- besucher ausgesagt, einen möglichen Grund für die Panik der Pferde weder gesehen oder sonstwie bemerkt zu haben. Gerüchteweise wurde kolportiert, ein umstürzender Tisch habe die Tiere erschreckt. Als ich in einer Lokalzeitung über den Fall berichtete, schaltete sich die Staatsanwaltschaft ein und beauftragte die Polizei mit neuen Erhe-bungen. Ein Leutschacher Beamter musste den Akt aufrollen und acht-zehn damalige Zeugen neu vernehmen, Herr Wanko war wochenlang mit den nachträglichen Ermittlungen befasst und für andere Agen-den blockiert. Allerdings wollte auch diesmal keiner etwas gesehen haben, und die Kronzeugin schwächte ihre anfangs getätigte Aussage ab. Die Polizei, vor allem Inspektor Wanko, hatte also die ganze Arbeit vergeblich gemacht.
Ich schilderte dem Beamten den Sachverhalt im Hopfenfeld, und seine ungnädige Laune wurde deutlicher hörbar: „Ein Toter auf der Hopfenstange? Sie irren sich, das ist vielleicht eine Vogelscheuche.“ „Das hab ich zuerst auch gedacht, Herr Inspektor. Aber es ist eine Schließlich sagte er das Kommen einer Streife zu: „Wir schauen Das Polizeiauto mit den blauroten Signalstreifen näherte sich gemächlich und ohne Blaulicht. Dem Wagen entstiegen eine junge Uniformierte und Inspektor Wanko, beide betont lässig, um nicht zu sagen unwillig, so als gelte es, von einem polizeibekannten Queru-lanten eine unbedeutende Anzeige aufzunehmen. Doch Sekunden später, als Wanko die Gestalt hoch oben baumeln sah, hatte er es plötzlich eilig, schwang sich zurück auf den Fahrersitz und sprudelte aufgeregt einen Wortschwall ins Funkmikrofon. Seine Begleiterin, eine junge, wie ich später erfuhr, sehr tüchtige Beamtin und übrigens Tochter eines guten Bekannten aus Eichberg, der ich, als sie noch ein Kind war, auf Wanderungen durch schattige Hopfenplantagen span-nende Märchen erzählt hatte, starrte sekundenlang gebannt auf den Toten, um dann auf mich zuzusteuern: „Ich muss Ihre Personaldaten aufnehmen.“ Ich wollte sie nicht an ihre Kindheitstage erinnern, als sie mit ihrem Cousin Christoph und ihrer Cousine Evelyn meinen Erzählungen von einer abenteuerlustigen Kirchenmaus gelauscht hatte, und gab Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 bereitwillig Auskunft. Sie notierte alles gewissenhaft in einen kleinen Notizblock, erkannte mich aber offenbar noch immer nicht, sondern fragte in einem fast herrischen Beamtenton, ob ich den Mann da oben kenne.
Meine Antwort genügte ihr ganz und gar nicht, sie bohrte weiter: „Ich weiß es nicht mehr.“Bodo witterte, dass mit einer baldigen Fortsetzung des Spazier- gangs nicht zu rechnen war, und ließ sich seufzend auf den brüchigen Asphaltboden plumpsen. Nun hatte auch Inspektor Wanko sein Funk-gespräch beendet und trat näher. „Er kennt ihn, aber er weiß nicht, wer er ist“, erklärte ihm die Kolle- „Vielleicht hat der Tote einen Ausweis bei sich“, sagte Wanko. „Jedenfalls müssen wir warten, bis die Kommission da ist.“ Ich erinnerte ihn daran, dass Kommissar Ricchius bereits die Tatort- gruppe alarmiert hatte und bald selber eintreffen werde.
„Wir müssen bis dahin den Tatort großflächig absperren“, ermahnte Sie deutete auf ein Wegkreuz, das in einiger Entfernung am Fahr- bahnrand steht: „Ist da schon einmal ein Verbrechen passiert?“, fragte sie.
„Nein“, beruhigte sie Wanko. „Das war ein vierzehnjähriges Mäd- chen, übrigens eine Verwandte von einem unserer Kollegen. Das Kind ist damals, so steht es in unserer Chronik, auf dem Heimweg plötz-lich zusammengebrochen. Herztod. Das Tragische war, dass ein alter Mann das Mädchen auf dem Boden liegen gesehen hat, aber ohne Hilfe zu leisten weitergegangen ist, weil er gemeint hat, das Dirndl sei betrunken. Der Vater des Mädchens war ein Kunstmaler, er hat später das Gedenkkreuz aufgestellt.“ „Wäre sie zu retten gewesen?“, fragte die Beamtin.
„Das weiß niemand“, sagte Wanko achselzuckend. „Aber einen Ver- such wäre es auf jeden Fall wert gewesen. Den da oben, denk ich“, er schaute auf den Toten, der sich nun nach einem sanften Windstoß leicht drehte, „den kann jedenfalls keiner mehr retten.“ Bodo erhob sich plötzlich, schüttelte sein Fell und signalisierte mir mit einem Blick, dass er nun endlich weitergehen wollte.
„Brauchen Sie mich hier?“, fragte ich. „Ich bring meinen Hund nach Hause und komm dann zurück“, schlug ich vor.
Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 „Ich hab seine Personalien“, sagte die Beamtin, als Wanko kurz überlegte, ob er mich ziehen lassen dürfe. „Er wohnt in Leutschach.“ Kaum hatte der Polizist eingewilligt, kam mit quietschenden Reifen und nervös rotierendem Blaulicht ein zweites Streifenauto herange-braust. Ich wartete, bis auch aus diesem Wagen zwei Beamte ausge-stiegen waren. Wanko zeigte ihnen den Mann auf der Hopfenstange und fragte die Kollegen, ob jemand ihn erkenne. Beide schüttelten die Köpfe, einer der Neuankömmlinge wagte voreilig eine Theorie: „Das ist ein Suizid. Kein Mörder macht sich die Mühe, ein Opfer in eine solche Höhe zu hieven. Und womit sollte er das tun?“ „Unser Zeuge hat nach einer Leiter gesucht und keine gefunden. Wie soll ein Lebensmüder da hinauf gelangen?“, gab Wanko zu bedenken.
„Vielleicht hat ein Bauer die Leiter weggetragen, ohne hinaufzu- Ich entfernte mich Richtung Mittermühle, einem halb verfallenden baulichen Juwel mit einem uralten Arkadengang, da strampelte mir sichtlich erregt und hastig die signalgelb leuchtende Irmi entgegen. Sie war offenbar dem Blaulichteinsatz gefolgt. Knapp vor mir bremste sie sich ein: „Wous isn passiert? Hot dejs Hundal wejn bissn?“ Diesmal konnte ich ihr die Existenz des Toten nicht verheimlichen: „Wou?“ Zuerst war ’s eine Frage, dann, beim Anblick des Aufgehäng- Jetzt kam die junge Polizistin auf uns zu: „Das ist jetzt polizeiliches Sperrgebiet, Irmi“, ermahnte sie die Frau. „Du darfst da nicht vorbei.“ Irmi wunderte sich: „Zuerscht is dou kana g’hängt.“„Was meinst du mit zuerst?“Irmi schilderte nun, dass sie erst einige Minuten zuvor hier vorbeige- fahren war und keinen Toten gesehen habe. „Ouba da Moun mit dem Hundal is schou dou g’wejsn.“ Die Bemerkung erweckte den kriminalistischen Spürsinn der Polizistin. „Das ist aber merkwürdig, Herr – .“ Sie hatte sich an mich gewandt, aber meinen Namen vergessen. „Wie ist das zu verstehen: Dass vor einigen Minuten noch kein Toter da gewesen ist?“ Ich versuchte die Beamtin aufzuklären: „Der Mann war freilich schon da. Nur Irmi hat ihn nicht bemerkt.“ „Ouba Sej houbm mir nix von dejm dou obn g’sogt“, warf Irmi ein.
Ich hatte es ja geahnt, dass mir dieses Frauenzimmer noch Schwie- rigkeiten bereiten würde. „Ich wollte Irmi nicht beunruhigen“, erklärte Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 ich. „Wer weiß, wie sie reagiert hätte.“ Nach einer Pause fügte ich hinzu: „Sie werden sehen, in ein paar Minuten haben wir den halben Ort hier versammelt.“ Diese Argumentation schien der Polizistin einleuchtend und bedrohlich zugleich, sie trug Irmi auf, umzukehren und keinem Men-schen etwas von dem Leichenfund zu erzählen. Irmi murmelte Unver-ständliches, warf noch ein paar neugierige Blicke auf den Erhängten und kehrte dann mit ihrem Rad um. Nach einigen Metern erhöhte sie ihr Tempo, offenbar hatte sie es trotz der polizeilichen Ermahnung eilig, das Erlebte jemandem zu berichten. Auch ich schilderte Edith daheim meine Entdeckung und die mys- teriösen Umstände des Falles. Edith trocknete ein Riedelglas fertig ab, dann hatte sie schon eine Erklärung für das Krimi-Rätsel parat: „Das war die Hopfenmafia.“ Nun neigt meine Frau hin und wieder zu Übertreibungen und abs- trusen Theorien, wenn es um Verbrechen geht. Vor etlichen Jahren, als das Land von einer Briefbombenserie schockiert wurde und in Oberwart vier Roma ermordet wurden und als danach der Briefbom-ber Franz Fuchs in Gralla, nur einige Kilometer von unserem jetzi-gen Domizil entfernt, verhaftet wurde, verdächtigte Edith einen guten Bekannten von uns der Komplizenschaft mit Fuchs. Der Briefbomber hatte in seinen Bekennerschreiben eine ganze Terrorgruppe vorge-täuscht, doch ich schwor von Anfang an auf die Einzeltäter-Theorie, was übrigens Österreichs damaliger Sicherheitschef Michael Sika bezeugen kann. Aber Edith ließ sich weder durch meine Argumente noch durch die eindeutigen Erkenntnisse beim Prozess gegen Fuchs überzeugen, dass der Kerl aus Gralla mutterseelenallein agiert hatte. Nein, sie hielt einen älteren Mann, übrigens eine geachtete Persönlich-keit in der Südsteiermark, für den Komplizen von Fuchs, unter ande-rem deshalb, weil der Herr nationalem Gedankengut nachhing und weil ich einmal in seiner Gegenwart das Gespräch auf Franz Fuchs gelenkt und unser Gegenüber darauf mit Schweigen reagiert hatte. Edith hielt es für ein vielsagendes Schweigen.
„Hopfenmafia?“, fragte ich ungläubig. „Von so einer kriminellen Organisation hab ich noch nie gehört.“ „Das sagt noch lange nichts“, beharrte Edith. „Wer sonst kommt auf die Idee, ein Opfer auf einen Hopfenpranger zu hängen?“ „Mit dem Hopfenanbau kannst du doch nie Reichtümer verdienen. Da hat keine Mafia Interesse daran“, wandte ich ein.
Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 „In der ehemaligen Untersteiermark war der Hopfen ein Garant für Wohlstand“, belehrte mich Edith. Sie war, muss man wissen, hop-fenmäßig familiär vorbelastet. Ihr erster Schwiegervater Franz Urch betrieb in Cilli, dem heutigen Celje, außer einem Kaufhaus eine Hop-fenplantage und galt als begüterter Landadeliger. Als er, da seine Muttersprache Deutsch war, 1945 nach Österreich fliehen musste und sich bei Verwandten in Leutschach niederließ, überzeugte er ein paar südsteirische Landwirte von den finanziellen Vorteilen, die ein Hopfenanbau bringen konnte. Zwar gab es hier schon im 19. Jahr-hundert Hopfenkulturen, doch mit der Zeit geriet diese Anbautradi-tion in Vergessenheit, und erst ab 1951 erlebte die flott wuchernde Schlingpflanze in und um Leutschach eine neue Blüte, vor allem dank Baron Peter Reininghaus, der die Auspflanzung finanziell förderte. Noch heute liefern die vierzehn Hopfenbauern aus Leutschach und Umgebung ihre Jahresernte, immerhin zwischen 120 und 165 Tonnen Dolden, nach Graz, wo später daraus das Gösser- und das Puntigamer-Bier sowie das begehrte Reininghaus Jahrgangspils gebraut wird. Ein winziger Teil der Ernte bleibt in Leutschach, wo sich in einem stim-mungsvollen und Jahrhunderte alten Gewölbe eine von mir bereits erwähnte kleine Brauerei angesiedelt hat. Schon vor etlichen Jahren hatten die Hopfenbauern überlegt, im bisherigen Weinmekka Leut-schach auch eine eigene Bierproduktion zu etablieren. Aber erst als nach der Schließung eines Supermarktes ein geeignetes Gebäude frei wurde, nahm der Plan konkrete Formen an. Und als Peter Musger, Obmann des örtlichen Hopfenbau-Vereins, aus einem Zeitungsin-serat erfuhr, dass ein engagiertes Brauteam aus der Obersteiermark ein passendes Betätigungsfeld suche, reifte das Projekt bis zur Reali-sierung. Inzwischen komponiert das Team naturbelassene Biere aus dem besten steirischen Hopfen und aus steirischem Malz. Der erste Braumeister im Ort stellte sich stets mit einem launigen Sprüchlein vor: „Gestatten, mein Name ist ,Kleines Bier’, auf gut Österreichisch: Seidl.“ Johann Seidl kreierte anfangs drei köstliche Bier-Variationen: ein untergäriges naturtrübes Weizenbier mit feinen Bananen-Aromen, ein vollmundiges, mildes „Rossnatur“-Bier und ein mit Ginseng ange-reichertes Gebräu. Sein Nachfolger erweiterte die Bierpalette um ein exklusives Weinbier, das mit einem Morillon vom Weingut Erwin Sabathi verfeinert wird, ferner um ein Kürbisbier, das nur im Herbst nach der Kürbisernte gebraut wird, und um ein Stark- oder Bockbier um die Weihnachtszeit. Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 Die aromabetonten Hopfensorten, die auf fast neunzig Hektar im Süden der Steiermark gedeihen und auch dem Leutschacher Bier Pikanz und Charakter geben, heißen übrigens Cicero, Celje, Aurora und Golding.
„Vielleicht müssen die Bauern Schutzgeld zahlen, damit ihre Kul- turen unversehrt bleiben“, präzisierte Edith ihre Mafia-Theorie zum Krimi-Rätsel. „In Italien soll das gang und gäbe sein.“ „Unser Land wird zwar immer mit der Toskana verglichen, aber zur dortigen Kriminalität gibt es keine Parallelen“, widersprach ich.
Der von Edith erwähnte Hopfenpranger gab jedoch auch mir zu denken, während ich zurück zum Tatort beziehungsweise Fundort fuhr. Mir fiel ein, dass das An-den-Pranger-Stellen in diesem Land-strich beinahe volkstümliche Tradition war. Ich entsann mich eines Brauches, der hier in der Nacht zum Pfingstsonntag praktiziert wird: Vor Häusern, in denen ledige, aber heiratsfähige Mädchen wohnen, werden so genannte Pfingstlotter aufgehängt. Diese Puppen aus Stoff und Stroh baumeln vom Dach oder von einem Baum und signalisie-ren, meistens zum Leidwesen der Betroffenen, dass es höchste Zeit für eine Paarung wäre. Außerdem sind früher am Faschingsdienstag vermummte Gestalten mit einem bunt geschmückten Baumstamm von Haus zu Haus gezogen. Vor jenen Adressen, wo ein unverheira-tetes reiferes Mädchen lebte, wurde Halt gemacht und ein Stück Holz abgesägt, das der ledigen Schönen ausgehändigt wurde. Auch dieses Brauchtum war eine nicht gerade charmante, sondern eher bloßstel-lende Inszenierung.
Im Fall des Hopfenprangers hatte der Mörder offenbar ebenfalls ein Interesse, den Toten dreist zur Schau zu stellen. Normalerweise sind Täter bestrebt, ihre Opfer den Blicken der Umwelt zu entziehen, vor allem um die Entdeckung der Untat zu verhindern oder zumindest zu verzögern.
Als ich meinen Wagen vor der schon erwähnten Mittermühle abstellte, standen im Hof schon etliche andere Privatautos, und ein Stück weiter hatte sich eine Gruppe Männer und Frauen versammelt, auch eine junge Frau mit einem Kinderwagen war dabei. Ein Polizist hielt die Gruppe in Schach, sonst wären einige Neugierige die Strecke bis zum Toten weitermarschiert. Der Uniformierte wollte auch mich nicht passieren lassen, obwohl ich ihn daran erinnerte, dass ich es gewesen war, der die Polizei verständigt hatte. „Bis die Kommission ihre Arbeit beendet hat, kommt mir da keiner durch“, entschied er. Ich Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 geduldete mich und lauschte den Bemerkungen der Zaungäste. Wie ich einigen Gesprächsfetzen entnehmen konnte, dachten die meisten an einen Selbstmord, rätselten aber über die Identität des Mannes. „Dejs is kana voun dou“, meinte ein älterer Mann, nachdem ihm ein anderer den Feldstecher geliehen hatte. Ich kannte den Alten, er war schon über achtzig, aber jeden Tag noch rüstig auf einem Elektrofahr-rad unterwegs. Einmal traf man ihn beim Kren-Müller August Muster, mit dem er einst zur Schule gegangen war, dann wieder in einem Lokal beim Einkaufsmarkt Repolusk. Jetzt lümmelte er sich auf die nach oben gebogene Lenkstange seines Rades und verfolgte gespannt das Geschehen am Rand des Hopfenfeldes. Die Frau mit dem Kleinkind wandte sich gleichsam Hilfe suchend an mich: „Ich geh jeden Sonn-tagvormittag hier spazieren und wollte jetzt nach Hause, aber ich darf nicht vorbei.“ Auch die Feuerwehr war bereits zugegen, sie blockierte mit zwei Einsatzfahrzeugen den Weg. Ich entdeckte Ehrenhauptmann Rai-mund Resch, der fleißig fotografierte, vermutlich für einen Artikel auf der Website der örtlichen Löschmannschaft. Er war als Webmaster der Freiwilligen Feuerwehr Leutschach in Wien für die vorbildliche Homepage mit fünf Helmen ausgezeichnet worden und nahm seine Tätigkeit als Berichterstatter sehr ernst. Diesen außergewöhnlichen Menschen durften wir seit Jahren zu unseren Freunden zählen. Und er wird uns im Verlauf dieser Erzählung noch mehrmals begegnen, obwohl er einige Monate nach den hier geschilderten Ereignissen erst 65-jährig einem Krebsleiden erlegen ist. Neben dem Feuerwehrteam bemerkte ich auch einige Tatortspezialisten der Polizei, die sich, einige mit ihren weißen Overalls, andere mit orangegrellen Umhängen und der Aufschrift „Tatort“, schon optisch von den anderen Anwesenden abhoben und aus einem grünen Kastenwagen allerlei Gerätschaften und silbrige Koffer holten, um mit der Spurensicherung zu beginnen. Ich wartete neben den Zuschauern hinter der Polizeisperre, vielleicht, so hoffte ich, würde mich Inspektor Wanko, wenn er mich sah, zu den Ermittlern holen. Ich hatte meine kleine Kamera, die ich immer im Wagen mitführe, eingesteckt und wollte, schon an einen Bericht für die Zeitung denkend, die Szenerie aus der Nähe einfangen. Immerhin war ich es gewesen, der Alarm geschlagen hatte, und außerdem war ich der bisher Einzige, dem der Tote irgendwie bekannt schien. Mein Freund Max Ricchius war offenbar noch nicht eingetroffen, er hätte mich als Zeugen, da war ich mir sicher, sofort zu sich geholt.
Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013 Allmählich kam Bewegung in die Szene. Von einem der beiden Feuerwehrautos wurde eine Art Hebebühne ausgefahren, auf der schmalen Plattform ließ sich ein Mann in Weiß hochhieven. Der Polizist hatte eine Kapuze über das Haar gezogen, trug einen blüten-weißen Mundschutz und hatte durchsichtige Latexhandschuhe über die Hände gestülpt. Der Hebekorb wurde bis in die Höhe des Toten manövriert, dann gab der Polizist ein Zeichen innezuhalten. Mit einer Digitalkamera fotografierte er penibel das Gesicht des Toten, den Knoten, mit dem der Unbekannte auf dem Mast befestigt war, die Klei-dung des Opfers sowie den gesamten Bereich um die Leiche. Mir war klar, warum der Beamte zunächst das Opfer und dessen unmittelbare Umgebung fotografierte: Demnächst musste der Gerichtsmediziner erscheinen, und bis dahin sollte das Spurenbild rund um den Toten festgehalten werden.
„Schau, ob er einen Ausweis dabei hat“, hörte ich Wanko vorschlagen.
Der Mann in Weiß verneinte kopfschüttelnd und ließ sich mit dem Korb zurück auf den Boden gleiten. Einige seiner Kollegen, alle in Plastiküberschuhen, suchten unterdessen den Boden ab und sicher-ten vermutlich, das sah ich nicht, das konnte ich aus der Entfernung nur annehmen, irgendwelche Fuß- und Fahrzeugspuren. Auch in die-sem Punkt war übrigens meine Anwesenheit unerlässlich, fiel mir ein, denn ich war möglicherweise der einzige Mensch gewesen, der nach dem Mörder oder nach den Mördern den Fundort auf der Suche nach einer Leiter betreten hatte. Zu Vergleichszwecken mussten die Tatort-leute auch meine Schuhspuren abnehmen.
Mir kam eine Idee, wie ich ohne Herrn Wanko oder Freund Ricchius durch die Sperre gelangen konnte. Zurück im Auto, bat ich meine Frau am Handy um die Telefonnummer des Obmanns der Hopfengesell-schaft. Dann rief ich Peter Musger an und erkundigte mich, wem das Hopfenfeld unweit der Mittermühle gehöre. Da ich schon einmal mit Herrn Musger wegen einer Reportage über den örtlichen Hopfenver-band Kontakt gehabt hatte, fragte er nicht weiter nach dem Grund mei-nes Interesses, nannte mir den Namen des Bauern, Karl Harrer, und schilderte mir, wo dieser Mann wohnte. Wenn ich mit dem Eigentümer des Hopfenfeldes auftauchte, so meine Überlegung, würden mir die Polizisten den Zutritt zum Fundort nicht verwehren können und frü-her oder später mussten sie sich den Bauer sowieso vorknöpfen. Leseprobe aus „Am Hopfenpranger“ von Ernst Bieber, PROverbis 2013

Source: http://www.proverbis.at/downloads/12-ev004%20leseprobe%20hopfenpranger.pdf

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