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Kontrollsysteme – Das globale Erbe institutionellen Kindesmissbrauchs
Rede gehalten von Roch Longueépée (Kanada), Gründer & Präsident der „Internations’ Justice Federation“ auf einem Gehörlosenkongress (USA), o.d. Verehrte Gäste, liebe Mitglieder des Reach Kanada, meine Damen und Herren. Ich möchte mich bei Ihnen für Ihr Kommen bedanken. Mein Name ist Roch Longueépée, ich bin der Gründer und Präsident der Internations’ Justice Federation. Die Organisation, die sich derzeit noch in der Entwicklung befindet, spricht sich für Veränderungen in den Normen der Entschädigung bezüglich institutionellen Kindesmissbrauchs. Der Verband plädiert auch für einen Wandel in den Jugendschutz-Standards für die aktuelle und für zukünftige Generationen von Kindern. Meine Leidenschaft für diese Arbeit liegt tief in meinem eigenen persönlichen Erfahrungen. Ich bin nicht nur ein Verfechter von Veränderungen in diesen Fragen, ich bin auch selbst ein Überlebender. Und ich bin nicht allein. Ich bin einer von vielen Überlebenden weltweit. Wir sind die Opfer von Ausbeutung und Missbrauch in der Kindheit. Wir sind die ehemaligen Straßenkinder. Wir sind die ehemaligen Kinder des Krieges. Wir sind Waisen und Opfer von institutionellem Kindesmissbrauch. Unsere Kindheit wurde uns genau von denen genommen, die eigentlich zu unserem Schutz und unserer Pflege da waren. In der Folge dieses Missbrauchs kamen Armut, Obdachlosigkeit, Korruption, Verstümmelungen, kulturelle Ausrottung, Völkermord und Tod. Diese Institutionen bauen ihre Zukunft auf unserem Unglück. Während psychische Gesundheit und Taubheit die Hauptfragen dieser Woche sind, möchte ich betonen, dass wir meiner Meinung nach noch viele weitere kritische Fragen vor uns haben. Als Anwalt in der Frage der institutionellen Kindesmisshandlung arbeite ich mit einem breiten Spektrum von Gruppen und Kulturen. Unter ihnen auch die Gehörlosen Kultur. Die Frage des institutionellen Kindesmissbrauchs betrifft marginalisierte Gruppen und Einzelpersonen besonders schwer. Ich möchte zunächst betonen, dass ich nicht taub bin. Und ich will Ihnen auch nicht vorspiegeln, dass ich wüßte, was es heißt, taub zu sein. Das heißt ich bin nicht versiert auf dem Gebiet der Gehörlosen Kultur. Ich bin hier, wie Sie, um mehr über das Thema Gehörlosigkeit zu erfahren. Es ist jedoch meine Hoffnung, dass ich Ihnen helfen kann, zu verstehen, wie die Sache, die ich vertrete, auch in die Gemeinschaft hineinwirkt, deren Teil Sie sind oder in der Sie arbeiten. Es ist in diesem Zusammenhang, in dem ich heute zu Ihnen reden möchte. Und: Ich spreche zu Ihnen nicht als ein Opfer des institutionellen Kindesmissbrauchs, sondern als ein Überlebender, der die Opferrolle ablegen will. Es ist nur angemessen, dass ich heute mit einem der bekanntesten Fälle innerhalb der Gehörlosen-Community beginne. Es war 1991, als ein Fall von Kindesmissbrauch in British Columbia's Jericho Hill Schule für Gehörlose und Blinde, die Schlagzeilen in ganz Kanada dominierte. Jericho Hill School, ein Internat, war der erste bekannt gewordene und gleichzeitig Kanadas berüchtigtster Fall von institutionellem Kindesmissbrauch an gehörlosen Kindern. In den ersten Jahren seines Bestehens hieß es, Jericho Hill School sei eines der weltweit besten Internate für gehörlose Kinder. Jericho Hill School: Sie hatte die Aufgabe, gehörlosen und blinden Kindern die bestmögliche Ausbildung zu geben. In den Jahrzehnten seiner Tätigkeit waren dort Kinder aus allen Ecken Nordamerikas. Leider haben diejenigen, welche die physischen Strukturen schafften, die besondere Isolierung der Kinder von Jericho nicht gesehen, die Isolation der Taubheit. Für viele gehörlose Kinder, aus ihren Familien und der vertrauten Umgebung herausgerissen, würde ihre neue Heimat nur weitere Isolierung bedeuten Hinter den Mauern von Jericho lag eine dunkle, geheim gehaltene Geschichte des körperlichen und sexuellen Missbrauchs. Des sexuellen Missbrauchs von Kindern, unerkannt von Aufsichtsbehörden, in dem die Missbrauchten selber zu Missbrauchern wurden, Opfer wurden zu Tätern. So lange, bis der Missbrauch quasi zu einem Recht wurde, normal wurde. Die Untätigkeit der Regierungen, die für die Schule verantwortlich waren, brachte immer wieder neue Schrecken hervor in immer neueren Realitäten. Außerhalb der Mauern von Jericho, haben ehemalige Schüler, nun erwachsen, weiter missbraucht. Die Zyklen des Missbrauchs fanden ihre Wege in die Häuser der Familien der Opfer und in die Gemeinden. Ein ehemaliger Schüler erstach einen anderen, während beide in einer Wohngruppe außerhalb Jericho Hills wohnten. Der Streit ging um Sex. Und immer neue Wellen von Schmerz ergossen sich über die neuen Schüler von Jericho, ihre Familien und die Gemeinden. Mit der Zeit erreichte der Missbrauch die Gemeinden rundum, und Anklagen wegen Vergewaltigung gegen ehemalige Jericho Hill Studenten führte die polizeilichen Ermittlungen in die Jericho Hill School. Ermittlungsbeamte der Polizei stießen auf Fälle von Missbrauch in Jericho die bis 1945 zurücklagen. Fintan O'Toole, ein irischer Journalist für The Irish Times, drückte es am besten aus, als er schrieb: "Der Staat, um es grob zu sagen, war immer darin bemerkenswert gut, anfällige, vernachlässigte und missbrauchte Kinder und in Drogenabhängige, Prostituierte und Kriminelle zu verwandeln.“ Die Gesellschaft hat leider die Tendenz, die Opfer, die zu Tätern als "böse" zu bezeichnen. Ich glaube nicht an das Böse. Wenn hier etwas böse ist, sind es die Unterlassungen und Wegschauen von Regierung und Organisationen, verantwortlich für diesen Schrecken. In einem neueren sehr bekannten Fall, in welchem römisch-katholischen Priester des sexuellen Missbrauchs überführt worden waren, fasste der Oberste Richter von Ontario, John Kerr dieses Thema am besten zusammen. In diesem speziellen Fall, versuchte die Diözese, eines der Opfer anzuklagen, welcher wiederum seine jüngeren Brüder missbraucht hatte. Die Diözese behauptete das Opfer sich Täter war zumindest teilweise verantwortlich für das Leiden seiner Geschwister, welche er sexuell missbrauchte, aber Kerr ließ diese Argumente nicht gelten sondern sagte, "John für seine Übergriffe zu beschuldigen wäre ähnlich wie Frankensteins Monster die Schuld für sein Handeln zu geben, anstatt dem Wissenschaftler, der es kreiert hat." Die Gehörlosen-Gemeinde ist nicht die einzige Gruppe, die in diesem Missbrauch Skandal identifiziert wird. Fragen des institutionellen Kindesmissbrauchs betreffen auch andere Gruppen in diesem Land und in der ganzen Welt. Dennoch - wenn wir an diesen Begriff denken, denken wir oft an Schulen wie die Jericho Hill Schule für Gehörlose und Blinde. Allerdings ist die Bedeutung des institutionellen Kindesmissbrauchs nicht Internate oder Heime beschränkt. Kindesmissbrauch ist nichts Neues in der Gesellschaft. In der Tat, Untersuchungen zeigen, dass es Kindesmissbrauch bereits im Jahre 2000 v.Chr. gab. Das Wort „Missbrauch“ selbst ist kein feststehender Tatbestand sondern geschichtlich gesehen eine subjektive Festschreibung. Missbrauch kann als alles sein, was exzessiv ist und/oder Schaden verursacht. Selbst bekannte Dichter schrieben über die Schande des geringen gesellschaftlichen Wertes von Kindern. William Blake schrieb einmal in seinem "Jerusalem" "Und hat Göttliche Antlitz noch auf unsere umwölkten Hügel geschienen? Und wurde Jerusalem hier erbaut Unter diesen dunklen satanischen Mühlen?" Worüber Blake schreibt, ist die Kinderarbeit in den Zellstofffabriken während seiner Zeit. Wörterbücher definieren den Begriff "Institution" als "Das, was erstellt oder beauftragt, ein Lehrbuch, ein System der Elemente und Regeln, ein Institut. Eine organisierte Gesellschaft oder Körperschaft, eine Einrichtung, insbesondere öffentlichen Charakters, eine Stiftung, eine literarische Institution, eine gemeinnützige Einrichtung, aber auch, ein Gebäude oder Gebäudeteile, welches von solchen Organisationen benutzt wird." Also, wenn wir von einer Institution die Rede ist, sollten wir auch an jede staatliche, religiöse, säkulare oder karitative Körperschaft denken, welche mit der Betreuung von Kindern befasst ist. Die Bedeutung des Begriffs wurde eine Reihe von Jahren falsch interpretiert. Der Begriff bekommt aber in dem Maße seine wörtliche Bedeutung zurück, wie die Gesellschaft beginnt, sich mit den Auswirkungen des institutionellen Kindesmissbrauches zu befassen. Im März 2000 erstellte die kanadische gesetzgebende Kommission einen Bericht an das Parlament mit dem Titel "Wiederherstellung der Würde des Menschen: Reaktion auf den Kindesmissbrauch in kanadischen Institutionen". Der Bericht enthält Empfehlungen zu Beseitigung und Entschädigung von Kindesmissbrauch in kanadischen Institutionen. Dieser an sich gute Bericht ist nicht gründlich genug – zum großen Teil mangels einer genauen Definition von „Institutionellem Missbrauch“. Um hier eine richtige Definition zu bekommen, muss man die Jahrhunderte alte Geschichte des institutionellen Missbrauchs betrachten. Die Anfänge können wir in der Zeit des britischen Empire festmachen, eine Zeit, in der marginalisierte Gruppen wie Kinder als "untere sozialen Ordnung" galten. In den späten 1600, suchten christliche, karitative, Regierung- und andere Gruppen ein Mittel das “Empire“ von "unerwünschten" Menschen zu säubern. Eine der eingeführten Regelungen war die Kinder-Migration, die die Kinder in Länder unter britischer Herrschaft abschob. Alan Gill, Autor von "Waisen des Imperiums“, schreibt: "Kinder-Migration“ wurde damit verkauft, dass man benachteiligten Kindern einen "Neuanfang" in einem neuen Land biete. Es war auch ein Weg Großbritanniens zur Lösung seiner sozialen Probleme. Es war ein Mittel der „Säuberung des Empires", und wurde mit missionarischen Eifer betrieben. Die Kinder wurden nicht adoptiert, noch kamen sie in die üblichen Pflegefamilien. Und obwohl das Programm von der Regierung gesponsert wurde, übernahmen größtenteils christliche Wohltätigkeitsorganisationen das Senden und Empfangen. Diese Organisationen sahen ihre Arbeit durchaus als inhärent edel." Die empfangenden Länder teilten die britische Begeisterung. Der Wunsch insbesondere von Australien, Kanada und Rhodesien (heute Simbabwe), ihre weiße, vorzugsweise angelsächsische Bevölkerung zu vergrößern, korrespondierte mit dem Wunsch des Mutterland sich von den Kindern der sozialen Unterschicht zu befreien." Kanada ist vor allem angelsächsisch. Die Werte des Landes, übernommen aus jenen Zeiten sind sehr verwurzelt in der modernen kanadischen Gesellschaft. Das macht sich natürlich auch im politischen System bemerkbar. Die meisten Menschen sind so hoffnungslos abhängig von diesem System, dass sie kämpfen, um es zu schützen. In der Entwicklung westlicher Zivilisationen wurde mit dem Wertesystem dieser Zeit der Grundstein für die Menschenrechtsverletzungen in der ganzen Welt gelegt. In den folgenden Jahrhunderten diente dieses Wertesystem dazu, Minderheiten, Kinder- und Randgruppen zu missbrauchen. Wie die kanadische gesetzgebende Kommission in ihrem Bericht an das Parlament mit dem Titel "Wiederherstellung der Würde des Menschen: Reaktion auf den Kindesmissbrauch in kanadischen Institutionen", feststellte, kamen in den zehn Jahren vor dem Bericht 5.210 Fälle gegen mehr als 72 Heime wegen physischen und sexuellen Missbrauchs, kultureller Enteignung, Sterilisationen und Völkermord zur Anzeige. Viele Kinder starben auf Grund von schwerer Vernachlässigung und körperlichem Missbrauchs durch die Hände ihrer Betreuer. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Welt Zeuge der schrecklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Adolf Hitler und den Mitgliedern seiner deutschen Nazi-Partei. Unter den unmenschlichen Praktiken der Mitglieder der NSDAP waren Eugenik und die medizinische Experimente. Es ist von besonderem Interesse, festzustellen, dass Kanada die Nazis nicht ob dieser Verbrechen kritisierte. Die Industrie-Schulen in Europa, die Waisenhäuser, verfrachteten ganze Schiffladungen von Kindern nach Australien, Kanada, Afrika, Irland und vielen anderen Ländern. Weltweit findet man anonyme Massengräber von , deren Identität nicht bekannt ist. In Irland, sind die Industrie-Schulen in Skandale des körperlichen und sexuellen Missbrauchs, und mysteriösen Todesfällen von Kindern verwickelt. Auf dem Gelände der Artane Industrial School fand man Massengräber von Kindern. Es wird geschätzt, dass rund 120 Kinder in diesen Institutionen zwischen den 1930er und 1970er Jahren starben. Kinder als Faustpfand von Regierungen, Behörden, und den Strafverfolgungsbehörden welche mit Gruppen wie der berüchtigten Nazi-Partei zusammenarbeiteten, und uns zu Studienobjekten für ihre wissenschaftliche Forschung machte. Ein Beispiel in Kanada ist der Fall der Duplessis Waisen. Die Duplessis Waisen Fall ist weithin anerkannt als der größte Fall des institutionellen Jugend-Missbrauchs in der Geschichte Kanadas. Es gibt etwa 6000 Überlebenden, die als Kinder in Waisenhäuser und psychiatrische Einrichtungen gesteckt wurden. "Der Premier der Provinz während dieser Zeit war Maurice Duplessis, daher der Name. Die Überlebenden behaupten, in den Institutionen verschiedener katholischer Orden, sehr harte Behandlung und sexuellen Missbrauch erlitten zu haben. Es wird davon ausgegangen, dass die meisten der "Waisen“ tatsächlich Kinder unverheirateter Eltern waren. Dies brachte sie in den 1930er, 40er und 50er Jahren in die Hände der religiösen Orden, die Waisenhäuser betrieben. In einigen Fällen wurden die Betriebe in Gesundheitseinrichtungen umgewandelt, in anderen Fällen, wurden die Kinder aus den Waisenhäusern in bestehende Krankenhäuser geschickt. In diesen Kliniken, auch in der Hand von religiösen Orden, wurden Kinder zu Unrecht als geistig ungesund diagnostiziert, so die Duplessis. Als Grund hierfür wird genannt, dass Quebec mehr Bundesmittel für Gesundheitsfürsorge-Einrichtungen als für Schulen und Waisenhäuser erhielt. Mehr Geld für Quebec bedeutete mehr Geld für die religiösen Orden. Hatten die Kinder einmal die Diagnose „geistig ungesund“ bekamen sie all die sattsam bekannten Behandlungen wie Zwangsjacken, Elektroschock-Therapie, übermäßige Medikation, Inhaftierung in Zellen und sogar Lobotomien. Ihre Geschichten von physischem und sexuellem Missbrauch sind schrecklich. Die Opfer bezeugten auch die Morde anderer Kinder. In einigen Fällen wurden Kinder so stark vernachlässigt, dass sie an den Folgen starben. Die damaligen Zeugen leben bis heute mit den Schrecken dieser grauenhaften Bilder. Viele dieser Kinder wurden nie gefunden. Die Waisenkinder, die überlebt hatten, wurden, wenn kein weiterer Gewinn mit ihnen erzielt werden konnte, aus ihrer schrecklichen Existenz dieser Institution hinter Mauern entlassen. Ohne Bildung und mit falschen Diagnosen, völlig unvorbereitet auf das Erwachsenen-Leben. Von ihren Familien waren sie über die Jahre nachhaltig getrennt worden. Während Fälle wie die der Duplessis Waisen auf eine Provinz beschränkt waren, waren andere Missbrauchsgruppen globalisiert. Die römisch-katholischen „Christlichen Brüder“ unterhielten Waisenhäuser in der ganzen Welt. Die „Christlichen Brüder“ gehören zu den schlimmsten Straftätern des institutionellen Kindesmissbrauchs in der Geschichte. Sie haben in mehr als vier Jahrhunderten tausende von Kindern missbraucht. Die Bewegung existiert heute nicht mehr. Seit diese Fälle ans Licht gekommen sind, wurden Massengräber mit unidentifizierten Kinderleichen gefunden. In Kanada und weltweit. Viele Fälle werden nicht mehr zu klären sein und den Schuldigen wird kein Prozess gemacht werden. In Kanada gab es bis in die 1970er und 1980er Jahre weitere Formen von Menschenrechtsverletzungen gegen Kinder und Randgruppen, wie z.B. Eugenik, welche definiert wird als "das Studium der erblichen Verbesserung der menschlichen Rasse durch kontrollierte selektive Zucht." Unter den qualifizierten Kandidaten für die Bewegung waren die Gehörlosen. Die Geschichte der Gehörlosen Kultur selbst ist ein langer und beschwerlicher Kampf über viele Generationen. In etwa vier Wochen, ein Jura-Student und ich werden in Nova Scotia in einer Pressekonferenz über die Veröffentlichung eines Berichts über Eugenik reden. Bis heute gibt es kein öffentliches Wissen über diesen Skandal. Der Bericht baut auf fundierte Beweise und ist vernichtend. Die bloße Tatsache, dass eine solche Praxis bzw. solche Werte noch bis in die späten 1980er Jahren Gültigkeit hatten, sollte uns allen zu denken geben. Es sagt uns, dass die Probleme der Vergangenheit noch lange nicht vorüber sind. Von Regierung und Gesellschaft hört man oft Bemerkungen wie "das war vor langer Zeit, dass passiert heute nicht mehr." Oder „was hat institutioneller Kindesmissbrauch mit der Gegenwart zu tun?“ Viele von Ihnen wissen zweifellos, was Apartheid in Südafrika bedeutet. Und Sie sind sicher ebenso gut vertraut mit dem System der kanadischen Reservations. Was Sie vielleicht nicht wissen ist, dass die Apartheid in Südafrika nach dem Vorbild der kanadischen Reservations aufgebaut wurde. Es heißt oft, dass es Gewalt zu solchen Extremen und Ausmassen nicht gibt. Aber: unter den gegenwärtigen und künftigen Bedingungen, endet Gewalt nicht sondern findet lediglich neue Formen. Es ist die Gewalt der Untätigkeit, der Gleichgültigkeit und des langsamen Verfalls. Wenn man lehrt, einander zu hassen und Angst voreinander zu haben, wenn man lehrt, eine Person oder Gruppe sei weniger wert wegen ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens oder ihrer Politik, wenn man lehrt, dass diejenigen, die nicht einer Meinung mit mir sind meine Freiheit bedrohen, oder mein Leben gar oder das meiner Familie, dann lehrt man auch, den anderen nicht als gleichberechtigten Bürger sondern als Feind zu sehen, den man zwingen muss, die eigene Meinung anzunehmen, den man unterdrücken muss. Und genau das ist die Realität, die Kanada mit der Sudafrikanischen Apartheid verbindet. Obiges gilt auch für Entschädigung oder Anerkennung des institutionellen Kindesmissbrauchs. Als die ersten von uns in die Öffentlichkeit traten und das beklagten, was uns passiert ist, reagierten unsere Gegenüber weltweit gleich: sie reduzierten unsere Schmerzen und unser Leid zu statistischen Trends und Zahlen. Sie errichteten "Wohlfühlen" Gedenkstätten, um das wahre Ausmaß der Verbrechen gegen die Schwächsten zu verstecken, vernachlässigte und missbrauchte Kinder. Sie bestritten ihren Opfern ein würdiges Begräbnis. Sie verfassten Entschuldigungen, die nur dazu dienten, ihre Schuld zu reduzieren. Sie stigmatisierten uns mit Etiketten. Diese Etiketten sind eine Fassade um unehrenhafte Institutionen noch zu schützen. Regierungen wandten mehr Mittel auf, sich zu verteidigen, als zur Bewältigung des Problems. Seit Jahrzehnten hatten und haben Regierungen, religiöse und säkulare Institutionen rund um den Globus die Fähigkeit - aber nicht den Willen – die Versäumnisse und Vergehen an den marginalisierten Gruppen einzugestehen und zu entschädigen. Die Folgen des Missbrauchs spiegeln sich wider in sozialen Programme einerseits und der Kriminalitätsrate andererseits. So gesehen ist es ebenso eine wirtschaftliche wie soziale Frage, die hier beantwortet werden will. Die kanadische Kommission stellt in ihrem Bericht fest, dass die Entschädigung und Heilung sowohl qualitativ als auch quantitativ sein muss. Viele Opfer, die zivilrechtliche oder auch strafrechtliche Klagen gegen die Institutionen anstrengen, klagen häufig darüber, dass die Erfahrung einem neuen Missbrauch, einer neuen Ausbeutung gleich komme. Es gibt viele Gründe, warum die diese Erfahrung machen. In vielen der zur Klage kommenden institutionellen Missbrauchsfälle gab es bereits "interne Untersuchungen". Die Ergebnisse dieser Untersuchungen haben fast immer einen Freispruch von jeglichem Fehlverhalten zur Folge. In den Fällen, in denen die staatliche Einrichtungen beschuldigt werden und nach nicht unerheblichem Druck der Opfer eine strafrechtliche Ermittlung eingeleitet wird, ist das Ergebnis ähnlich: Die Täter werden nicht strafrechtlich verfolgt. Im Fall von Institutionen, die sich quasi selbst untersuchen, ist das Ergebnis ziemlich klar. Ich bin überzeugt, wenn wir alle uns selbst untersuchen würden, wir alle ohne Anklage stehen würden. Im Fall der staatlichen Einrichtungen, in denen die Polizei mit der Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungen betraut ist, müssen wir daran erinnern, wer ihr Arbeitgeber ist – es ist der Angeklagte selbst. Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass die Polizei gesetzlich verpflichtet ist, ihre Ergebnisse an die Regierung weiterzugeben. Darüber verfügt die Polizei nur in seltensten Fällen über die richtige Ausbildung oder Erfahrung, um institutionellen Kindesmissbrauch zu untersuchen. Die Jericho Hill School Fall war ein gutes Beispiel dafür. Ermittlungsbeamte konnten sich nicht mit den Gehörlosen verständigen. Auch konnten die Ermittler die Auswirkungen des Missbrauchs nicht erkennen, der alle Kinder in Jericho Hill School infizierte. Ermittlungsbeamte befragten Schüler heute als Opfer, morgen als Täter. Die Ermittler besahen sich jeden einzelnen Fall aus kontradiktorischer Sicht. Dies ist es, was sie Demokratie nennen. Bis heute gibt es keine Studien zu den Ergebnissen dieser Programme – weder Wiedergutmachung noch zivile Klagen oder alternative Verfahren zur Rehabilitation. Es gibt auch keine genauen Aufzeichnungen über die Anzahl der Opfer in diesem Land. Dies ist zum Teil auf die Tatsache zurückzuführen, dass wir uns noch in der ersten Phase der Fallzahlenerhebung. Als Anwalt und Hinterbliebener kann ich Ihnen einige Einblicke aus meiner eigenen Erfahrung geben. Die Anwälte mit denen ich spreche und die Opfer in ganz Kanada vertreten, sagen, dass bis heute die Entschädigung nicht funktioniert. Die Opfer sagen dasselbe. Ich schließe mich ihnen an. Die Entschädigungsprogramme sind keine angemessene Antwort und letzten Endes wird mehr Geld ausgegeben werden, die zu verteidigen, von denen man doch mit 99,99% Sicherheit weiß, dass sie schuldig sind. Recht ist eigentlich kaum zu erwarten, wenn die Gegenpartei die Vorschriften macht, alle Beweise kontrolliert und obendrein über weit größere Ressourcen verfügt. Eine weitere Frage, die zu klären wäre, ist die des geltenden Rechts und welche Vergehen unter dieses fallen, bzw. fielen. In Jericho Hill School, verlieren wir zwei Prozent der Überlebenden pro Jahr, während wir Gerechtigkeit für die Opfer suchen. Der Jericho Hill Fall ist seit mehr als fünfzehn Jahren offen. Dies ist auch eine Taktik der Regierung: Verzögern, bis die Opfer aufgeben, sterben oder eine Einigung akzeptieren. Regierungen, die diese Fälle nicht mit einer angemessenen Entschädigung regeln, begehen eine erneute Ungerechtigkeit an uns allen. Wozu soll es gut sein, wenn diese Kläger sich am Ende wieder in der Sozialhilfe, der Psychiatrie oder gar der Justiz finden? Wenn die Regierungen Steuergelder für diese Fälle ausgeben, müssen sie dem kanadischen Durchschnittsbürger erklärbar sein. Das ist nur logisch und letzten Endes wirtschaftlich sinnvoll. Regierungen verweigern zu oft einen realistischen Blick, um das Problem zu lösen. Sie setzen auf Begrenzungen und Beschränkungen, verhindern, dass Opfer vor Gericht aussagen, sie lehnen eine Meldepflicht zum Thema ebenso ab wie sie es nicht schaffen, ein nationales Register für diejenigen, die in helfenden Berufen mit benachteiligten Gruppen arbeiten, machen schlechte Öffentlichkeitsarbeit, hungern und gute, alternative Stellen geradezu aus. Sie befürworten das Deckeln und interne Verfahren, um zukünftige Ansprüche von Missbrauchsopfern abzuschrecken. Dies bezieht sich auf Rechtsanwälte der Täter, welche die Missbrauchsopfer erschrecken, die sich melden ebenso wie auf rückgratlose Menschen in Bürokratie und im Gesundheitswesen, die ihre Arbeit nicht richtig machen. Alles was Recht ist, Regierungen müssen erkennen, dass derzeitige Gesetze und Werte dazu beigetragen, die Nachteile der gefährdeten, vernachlässigte Kinder und marginalisierten Gruppen zu zementieren. Eine angemessene, richtige Antwort wäre es, gemeinsam mit den Opfern Regelungen auszuarbeiten, die sowohl für eine angemessene Entschädigung und Heilung sorgen, als auch neue Rechtsvorschriften auszuarbeiten, die helfen, den institutionellen Missbrauch zu vermeiden. UN-Generalsekretär Kofi Annan wandte sich in seiner Eröffnungsansprache der Generalversammlung an die Kinder der Welt: „Wir, die Erwachsenen, sind kläglich an euch gescheitert,“ sagte er, unter Hinweis darauf, dass 33 Prozent der Jugendlichen an Unterernährung leiden bevor sie fünf Jahren alt sind, 25 Prozent sind nicht immunisiert, fast 20 Prozent besuchen keine Schule, und weit zu viele haben Gewalt gesehen haben, die kein Kind jemals sehen sollte.“

Source: http://veh-ev.eu/Kulturelles/Zum_Vertiefen/Die_Systeme_der_Steuerung.pdf

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Exhibit 99.5 Modification of the Presentation of LossesThis report is for informational purposes only. It should be read in conjunction with documents filed by The Chubb Corporation with the Securities and Exchange Commission, including the most recent Annual Report on Form 10-K and Quarterly Reports on Form 10-Q. THE CHUBB CORPORATION Beginning in the third quarter of 2008, the “net

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