Ansätze zur Schulung analphabetischer Patienten
von Andreas Krieg & Susanne Waning, Köln
1. Einleitung
Während eines stationären Aufenthaltes im Krankenhaus müssen sich Patienten mit einer Vielzahl an schriftlichem Informations- und Aufklärungsmaterial wie z. B. Info-Broschüren zu einer Abteilung, zum Krankenhaus oder zum poststationären Verhalten, auseinandersetzen. Diese Informationen dienen dazu den Krankenhausal tag transparenter zu gestalten und den Patienten eigenverantwortlich daran teilzunehmen zu lassen. Doch was geschieht mit den Patienten, die diese Informationen nicht lesen können? Immerhin gibt es laut UNESCO in der Welt 867 Millionen Analphabeten, jene Menschen also, die nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben können1. Wil man diese Zahlen jedoch auf ein Problem der sog. „Dritten Welt“ reduzieren, so irrt man sich. Die Experten der Deutschen UNESCO-Kommission halten einen Analphabetenanteil von zwischen 0,75% - 3% der erwachsenen deutschen Bevölkerung über 15 Jahre für realistisch2. Schätzungen gehen aber davon aus, dass die Dunkelziffer wesentlich höher liegt. Nach der Wiedervereinigung werden in der Bundesrepublik Deutschland absolute Zahlen von bis zu 4 Millionen Betroffeneangesetzt3.
Zu einem der wichtigsten Aufgabengebiete der Transplantationspflege gehört die Schulung und Anleitung der Patienten, um sie auf ein eigenverantwortliches Leben nach einer Transplantation vorzubereiten. Hierzu gehört auch, dass sich die Pflege auf die persönlichen Ressourcen der Patienten einstel t und Probleme wie Analphabetismus überwindet. Unser Beitrag sol dazu dienen, die Pflegenden für dieses Thema zu sensibilisieren und Beispiele zu geben, wie Lese- und Schreibschwächen überwunden werden können. 2. „Lernbarrieren“ 3.2. Plan zum Selbstmonitoring
Im Rahmen einer Projektarbeit im Stationsleitungslehrgang erstellte S. Waning einen
Für transplantierte Patienten ist es wichtig, auch in der nachstationären Phase
„Patientenschulungsablaufplan- Medikamentencompliance“. Dieser beinhaltet einen
Vitalzeichen und Auffäl igkeiten zu dokumentieren und diese dem nachbehandelnden Arzt
Erfassungsbogen der Lernbarrieren (s. Abb. 1). Neben körperlichen Behinderungen wie
mitzuteilen, um Komplikationen frühzeitig erkennen und behandeln zu können. Aus
Taubheit oder Blindheit werden auf diesem Bogen vor allem sprachliche Schwierigkeiten
diesem Grunde wurde ein Plan entwickelt, der es dem Patienten vereinfacht, Zuhause ein
und der evtl. Grad des Analphabetismus erfasst. Dass der Erfassungsbogen wichtig
wurde, zeigen viele Beispiele aus der Praxis:
• Eine Patientin erhielt in der Trainingsphase
einen Medikamentenplan. Bei der Übung, die
Medikamente zu stellen, bemerkte man, dass die
Patientin nur die schon vor der Transplantation
bekannten Medikamente richtig stel te, mit den
übrigen Medikamente aber nichts anfangen
konnte. So stel te sich heraus, dass die Patientin
nicht lesen konnte, obwohl sie immer recht
interessiert Zeitungen der Regenbogenpresse
• Fr. D. war Analphabetin, es machte aber den
Anschein, dass sie Zahlen lesen konnte. Problematisch wurde es, als die Patientin anstatt
3.3. Medikamentenplan
3 mg Prograf 4mg nehmen sol te. Sie war nicht in der Lage dieses als schriftliche Information
Die Wichtigkeit einer exakten und regelmäßigen Medikamenteneinnahme für das
umzusetzen, da sie nur die Zahlen 1- 3 lesen
Transplantatüberleben ist in vielen Studien belegt worden. Um die Compliance der
Medikamenten-Einnahme zu er-höhen, beginnen wir schon
•Hr. K. konnte Zahlen ausreichend lesen. Für ihn
war es kein Problem zu erfassen, dass er z. B.
280 mg Sandimmun optoral einnehmen sollte. Al erdings war er nicht in der Lage, dies
aus den verfügbaren Dosiseinheiten 100mg, 50mg und 10mg auch richtig zusammen-
Diese Beispiele zeigen, wie vielfältig die Probleme der Patienten bei der Umsetzung eines
Medikamentenplanes sein können. Der Erfassungsbogen „Lernbarrieren“ hat das
Pflegepersonal in unserer Abteilung für das Thema „Analphabetismus“ sensibilisiert und
dazu geführt, dass die Ressourcen des Patienten in der Trainingsphase individuel
dieser Patient einen Medika-mentenplan, der mit den Logos
3. Trainingshilfen
der verschiedenen Medikamente versehen ist (s. Abb. 4). Hierzu haben wir die am häufigst verwendeten Medikamentenschachteln gescant und auf Klebeetiketten drucken
Wir möchten verschiedene Pläne unserer Abteilung vorstel en, die die Ressourcen
lassen. Sol ten auch bei Zahlen Leseprobleme auftreten, so werden diese durch Striche
analphabetischer Patienten berücksichtigen. In den Plänen werden neben der
ersetzt, die der Patient dann abzählen kann.
Schriftsprache vor allem Symbole verwendet und sol en den Patienten Hilfestel ung geben, schon während des stationären Aufenthalts Selbstmonitoring und
Kann ein Patient zwar die Schriftsprache nicht lesen, dafür aber Zahlen, so werden die
Medikamentenschachteln zusätzlich mit Nummern versehen, die dann äquivalent auf dem Medikamentenplan wiederzufinden sind.
Ebenso wie beim Monitoring hat es sich als von Vorteil erwiesen, Angehörige mit in den Lernprozess einzubeziehen. Natürlich darf nicht vergessen werden, die nachbetreuenden
3.1. Getränkeplan
Pflegenden und Ärzte über den Grad des Analphabetismus zu informieren.
Der Getränkeplan (s. Abb.2) wird i.d.R. nur auf unserer Station verwendet. Er hilft den
4. Resümee und Perspektiven
Die Einführung der vorgestel ten Traininghilfen haben es uns ermöglicht, auch
analphabetische Patienten optimaler auf ein Leben nach einer Transplantation
vorzubereiten. Die Patienten empfinden es als Vorteil, dass auf Ihre persönlichen
Wünschenswert wäre, wenn dieser Ansatz durch weiteres Bildmaterial, z. B. durch ein
2 Analphabetismus und Alphabetisierung in der Bundesrepublik Deutschland; Aus der Reihe: Weiterbildung und Medien-Extra (W&M-Extra), hrsg. V. Deutscher Volkshochschul-Verband e.V.; 3. Auflage., Bonn o.J. 1986 (zuerst 1986), S 2f
Stark, Werner/ Thilo Fitzner / Christoph Schubert (Hrsg.): Wer schreibt, der bleibt! Und wer nicht schreibt? Gesellschaftliche, pädagogische und persönlichkeitsbildende Aspekte des Schreibens als Beiträge zur Überwindung des Analphabetismus und Sicherung der Grundsausbildung für alle. Eine Fachtagung., Stuttgart u.a. 1998, S. 82-92
Andreas Krieg & Susanne Waning; MEK; Chirurgie 17N; Joseph-Stelzmann-Str.9; 50924 Köln
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